Kieferorthopädie: Wann die gesetzliche Kasse zahlt - und wann nicht

22. September 2025

Nicht jede kieferorthopädische Behandlung wird von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Sie zahlen nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Entschieden wird das anhand klar definierter Richtlinien, den kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Wir erklären, was die Begriffe bedeuten und wie das System funktioniert.

Das System der kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) wurde 2002 in Deutschland zur Beurteilung der kieferorthopädischen Behandlungsnotwendigkeit für gesetzlich versicherte Patienten eingeführt. Hintergrund war, dass man dringend behandlungsbedürftige Zahn- und Kieferfehlstellungen besser abgrenzen und Kosten einsparen wollte. Stichwort: ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung. Die Richtlinien legen fest, in welchen Fällen eine KFO-Behandlung von den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) übernommen wird.

Grundsätzlich gilt: Die Kassen zahlen nur, wenn die Zahn- und Kieferfehlstellung in die Gruppen KIG 3 bis 5 fällt. Bei einer Einordnung in die Gruppen 1 und 2 muss man die Kosten für die Behandlung selbst tragen oder eine rechtzeitig abgeschlossene Zahn-Zusatzversicherung beteiligt sich. Auch für die Erstattung einer initialen Frühbehandlung oder einem frühen Behandlungsbeginn (frühe Behandlung) müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Aber wie funktioniert die KIG-Einordnung genau? Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst. 

Wann beteiligt sich die Krankenkasse an den Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung?

  • bei Patienten unter 18 Jahren mit einer KIG-Einstufung größer oder gleich 3
  • bei Patienten über 18 Jahren mit gravierenden Zahn- und Kieferfehlstellungen, die eine kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie (Dysgnathie-Operation) erforderlich machen 
  • wenn die Behandlung in der zweiten Phase des Zahnwechsels, d.h. im späten Wechselgebiss (ca. 9. bis 13. Lebensjahr), begonnen wird
  • wenn Ausnahmefälle eine kieferorthopädische Behandlung vor der zweiten Wechselgebissphase notwendig machen und eine Frühbehandlung geplant ist
  • ein früher Behandlungsbeginn notwendig wird
  • präventive Maßnahmen zwingend erforderlich sind

 

Wie läuft die Einstufung ab?

Die Einordnung in eine KIG erfolgt anhand bestimmter Befunde – z. B. fehlende Zähne, ein Fehlbiss oder Engstände. Je nach Schweregrad der Befunde ergibt sich daraus die Einordnung in eine Indikationsgruppe.

Kieferorthopädischer Behandlungsplan

Vor Behandlungsbeginn wertet der Kieferorthopäde die diagnostischen Unterlagen aus und ermittelt die KIG-Einstufung. Dann erstellt er einen KFO-Behandlungsplan und reicht diesen direkt bei der gesetzlichen Krankenversicherung des Patienten ein. Bei einer Frühbehandlung wird ein KFO-Behandlungsplan über sechs Quartale (1,5 Jahre) erstellt. Bei der Hauptbehandlung in der zweiten Wechselgebiss-Phase wird der KFO-Behandlungsplan über 16 Quartale (4 Jahre) erstellt.

Keine Planung ohne Diagnostik 

Zu den diagnostischen Unterlagen gehören Abdrücke, wir bevorzugen digitale Intraoral-Scans der Kiefer, Fotos des Patienten und Röntgenbilder, die aus einer Übersichtsaufnahme (Orthopantomogramm, OPG) und einer seitlichen Aufnahme des Kiefers (Fernröntgenseitenbild) bestehen. Bei entsprechender Indikation können auch zusätzliche Spezialaufnahmen notwendig werden.

Kosten Kieferorthopädie: 80/20 

Hat die Krankenkasse den KFO-Behandlungsplan genehmigt, kann mit der Behandlung begonnen werden. Eine Besonderheit dabei: In der Regel hat jeder Patient einen Eigenanteil. Dieser beträgt 20 % der im KFO-Behandlungsplan beantragten Leistungen, es sei denn, mehrere Kinder einer Familie befinden sich in kieferorthopädischer Behandlung. Dann bleibt der Eigenanteil für das erste Kind der Familie bei 20 % und reduziert sich auf 10 % für jedes weitere Kind, das mit der Behandlung beginnt.

Der Kieferorthopäde rechnet alle drei Monate zum Quartalsende die erbrachten Leistungen ab. Dabei muss er zwei Rechnungen erstellen. Die erste Rechnung über 80 % bzw. 90 % wird mit der gesetzlichen Krankenkasse verrechnet. Die zweite Rechnung über 20 % bzw. 10 % erhält der Patient bzw. die Eltern des Patienten als sogenannte Eigenanteilsrechnung. Der Betrag aus der Eigenanteilsrechnung muss an den Kieferorthopäden überwiesen werden.

Leistungen, die über das Leistungsangebot der GKV hinausgehen, müssen vom Patienten selbst getragen werden. Für diese sogenannten außervertraglichen Leistungen (AVL) kann der Abschluss einer Zahnzusatzversicherung sinnvoll sein. 

Komplett verwirrt? Alles Gute kommt zum Schluss.

Hier kommt die positive Nachricht nach dem verwirrenden Genehmigungs- und Rechnungsprocedere: Der geleistete Eigenanteil wird dem Patienten nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung durch die gesetzliche Krankenkasse zurückerstattet. Voraussetzung dafür ist ein vom Kieferorthopäden erfolgreich attestierter Behandlungsabschluss nach § 29 Abs. 1 SGB V. Mit dieser Abschluss-Bescheinigung erhält der Patient unter Vorlage der Eigenanteilsrechnungen das Geld zurück. Wird die KFO-Behandlung nicht erfolgreich abgeschlossen oder abgebrochen, erhält der Patient den geleisteten Eigenanteil leider nicht zurück.

Daher gilt: Ordentlich tragen und dann klappt es nicht nur mit geraden Zähnen und dem gesunden Biss - sondern auch mit der Rückerstattung!

 

Quellen:

  • Schopf P: Die Kieferorthopädischen Indikationsgruppen [KIG] I. Teil. Zahnärztlicher Gesundheitsd 2002; 32: 16–22
  • Schopf P: Kieferorthopädische Abrechnung: BEMA, KIG, GOZ 2012/GOÄ. Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin 2013
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